Nachricht auf WhatsApp: „Hab dir eine E-Mail geschickt, schaust du mal rein?“, DM im Facebook-Messenger: „Bist markiert, haste gesehn?“ und eine E-Mail im Postkörberl: „Ich habe Ihnen ein Angebot per SMS geschickt, bitte melden Sie sich bei mir!“.
Meine stillen Antworten an mich: „Ja, später dann!“, „Ja, und?“ und „Sobald ich es möchte“.
Puh, ständige Erreichbarkeit ist mega-praktisch, geht aber auch an die Substanz. Und die Unart, auf allen möglichen Kanälen mit Erinnerungen zu attackieren, wenn man nicht sofort reagiert, macht es nicht besser.

Ich jedenfalls bin nicht mehr immer erreichbar, denn – ganz ehrlich! – welche Welt geht unter, wenn ich mich mal nicht innerhalb einer Stunde melde?
Oder verschärft: Was ist der Unterschied zwischen meiner sofortigen Reaktion und einer am nächsten Tag? 

 

Die weltweite Vernetzung

 

Das Internet, die Vielzahl der Messenger-Dienste und vor allem Social Media sind zu einem integralen Bestandteil unseres Alltags geworden. Sie bieten uns Zugang zu einer Fülle von Informationen, ermöglichen uns die Kommunikation mit Menschen auf der ganzen Welt und eröffnen uns zahlreiche Unterhaltungsmöglichkeiten. So weit, so gut. 
Doch während diese Medien zweifellos viele Vorteile mit sich bringen, bergen sie auch Herausforderungen, insbesondere wenn es um die persönliche Ausgeglichenheit der Nutzer geht.

 

Welche Gefahren lauern und was kann man dagegen tun?

 

Erwartungen an ständige Verfügbarkeit

 

Die immensen Erwartungen, jederzeit online zu sein und sofort auf Nachrichten zu reagieren, sind allgegenwärtig. E-Mails, soziale Medien, Instant Messaging – die Liste der Plattformen und Kommunikationskanäle ist schier endlos. Dies führt oft zu einem Gefühl der permanenten Überlastung.
Als Nutzer dieses weltumspannenden Netzes stehe ich so vor der Herausforderung, die eigenen Bedürfnisse und die Erwartungen anderer in Einklang zu bringen.
Hab ich überall geschaut? Hab ich alles gelesen, alles angemessen beantwortet?

Das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung, nach Abschalten (im wahrsten Sinne!) wird häufig vernachlässigt. Das wiederkehrende Summen von Benachrichtigungen auf dem Smartphone kann uns in einem Zustand der permanenten Ablenkung gefangen halten und es schwer machen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Das geht zumindest mir häufig so. Selbst während ich diesen Artikel schreibe, ertappe ich mich dabei, immer wieder einmal auf mein Smartphone zu linsen, ob nicht inzwischen eine Nachricht eingegangen ist. 

 

Auswirkungen der ständigen Verfügbarkeit

 

  • Steigender Stresspegel

Die Auswirkungen der ständigen Verfügbarkeit auf die persönliche Ausgeglichenheit sind vielfältig. Zum einen kann es zu einem hohen Maß an Stress führen. Das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen und keine Auszeit vom digitalen Leben zu haben, kann eine erhebliche Belastung für die psychische Gesundheit darstellen. Die permanente Erwartung, sofort zu antworten bzw. die Erwartung an sich selbst, umgehend antworten zu MÜSSEN, kann zu Überforderung führen und ein Gefühl der Unzulänglichkeit hervorrufen.

 

 

  • Fear of missing out (FOMO)

FOMO beschreibt die Angst, etwas Wichtiges oder Aufregendes zu verpassen. Etwas, das das eigene Leben verbessern könnte, wenn man nicht permanent online und bezüglich der neusten Informationen und Ereignisse auf dem Laufenden ist. Neben Nachrichten in diversen Messengerdiensten  sind dies auch Postings auf Instagram, Tipps auf Facebook, Informationen auf LinkedIn, Werbung in Form von Freebies und vieles mehr, die schneller wieder im Feed versinken, als man sie anschauen kann. Die FOMO wird durch die allgegenwärtigen Updates in den sozialen Medien verstärkt, bei denen andere ihre – vermeintlich – aufregenden Erlebnisse, Erfolge und Aktivitäten teilen.

Auch FOMO kann zu einem erheblichen Stressfaktor werden und unsere persönliche Ausgeglichenheit beeinträchtigen. Das ständige „Aufwärts“-Vergleichen unseres Lebens mit dem besseren und spannenderen Leben anderer kann zu einem Gefühl der Unzufriedenheit und dem Fühlen eines eigenen Mangels führen. 

Ich nehme mich selbst da nicht aus: Zu oft ertappe ich mich selbst dabei, zum Beispiel meine Fotos auf Insta oder meine Blogtexte mit denen anderer zu vergleichen, selbst wenn ich ursprünglich damit ganz glücklich war. Wie hilfreich wäre da eine gesunde Gelassenheit: Ich bin gut genug. Einfach ein Schulterzucken. Vor allem: Ich muss mich nicht immer an anderen messen.

Oder ich scrolle mich durch den Instagramfeed, um Beiträge derjenigen zu sehen, denen ich folge. Immer mit dem Hintergedanken, dass nach einem Like, Herzchen oder Kommentar von mir gleiches für mich drin ist, oder? Man muss ja den Algorithmus überlisten oder zumindest für sich nutzen.
Wer kann sich schon davon freisprechen, sich über eine positive Resonanz zu seinen Posts zu freuen? Und je mehr Likes, desto besser das Gefühl, oder?


Ohne uns dessen unmittelbar bewusst zu sein, landen wir im Teufelskreis des ständigen Onlineseins, im Hinterkopf immer die Befürchtung, den neusten Stand nicht aktiv oder nur verspätet mitzuerleben – wenn er schon längst nicht mehr neu ist.

 

  • Vernachlässigung des Zwischenmenschlichen

Hand aufs Herz: Haben wir immer das Zwischenmenschliche im Blick?
Wenn wir uns mehr und mehr auf virtuelle Interaktionen verlassen, besteht die Gefahr, dass wir den persönlichen Kontakt vernachlässigen. Statt Gespräche von Angesicht zu Angesicht zu führen, verbringen wir Stunden damit, uns in sozialen Medien zu präsentieren oder endlose Textnachrichten auszutauschen. Dies kann zu einer Entfremdung von unseren Mitmenschen führen und das Gefühl der Verbundenheit verringern.

 

 

Zitat von Marc Aurel

Vermutlich kannte sich Marc Aurel schon ganz gut mit Social Media und Konsorten aus und war seiner Zeit weit voraus 😉

 

 

Meine Maßnahmen für persönliche Ausgeglichenheit


Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken und eine persönliche Ausgeglichenheit zu erreichen, ist es wichtig, sich der Gefahren bewusst zu sein und mit bewussten Maßnahmen konsequent gegenzusteuern. 

 

  • Der „Ich bin dann mal weg“-Modus

Was im Berufsleben weit verbreitet ist, darf man auch im Privaten einsetzen: den Abwesenheitsassistenten. Es muss ja niemand wissen, ob man die E-Mails nicht vielleicht trotzdem liest und für sich entscheidet: wirklich dringend, beantworte ich gleich bzw. erst morgen.
Aber es verschafft etwas Luft, öfter mal diesen netten Herrn vorzuschalten!

 

  • Bewusste Pausen einlegen

Eine weitere Möglichkeit: bewusste Pausen einzulegen und Zeit für sich selbst zu reservieren. Das bedeutet, regelmäßig das Smartphone beiseitezulegen (auszuschalten!), sich körperlich zu betätigen oder einfach nur zu meditieren und zu entspannen. Diese Auszeiten ermöglichen es uns, den Kopf frei zu bekommen und uns auf uns selbst zu konzentrieren, ohne ständig von Pings, Piepen und Brummen abgelenkt zu werden.Turn of your mobile, please

Mein „Geheimtipp“: Kamera schnappen und im Garten oder Park fotografieren, was kreucht und fleucht. Wer selbst fotografiert, weiß ganz genau, wovon ich rede: Sobald man durch den Sucher schaut, ist der Verfügbarkeitsmodus im Hirn auf OFF gestellt. Und man nimmt seine echte Umwelt wieder wahr, konzentriert sich auf Schönes, Einmaliges, Wunderbares!

 

  • Klare Grenzen setzen und Prioritäten definieren

Es ist wichtig, zu erkennen, dass nicht jede E-Mail oder jede Nachricht sofortige Aufmerksamkeit erfordert!
Indem wir uns ausdrücklich dafür entscheiden, bestimmte Zeiten für die Internetnutzung oder Onlinezeiten auf Social Media festzulegen und außerhalb dieser Zeiten offline zu sein, können wir unsere persönliche Ausgeglichenheit bewahren und uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren.

 

  • Kommunikation verbessern

Die Kommunikation mit anderen ist ebenfalls entscheidend, um die Erwartungen in Bezug auf die ständige Verfügbarkeit zu klären. Mit Kollegen, Freunden und Familienmitgliedern können klare Vereinbarungen getroffen werden, wann eine sofortige Antwort erwartet wird und wann es akzeptabel ist, etwas Zeit für sich selbst zu nehmen. Indem wir offen über unsere Bedürfnisse und Grenzen kommunizieren, können wir Verständnis und Unterstützung erhalten.

 

Auszeit

 

  • „Sachdienliche“ Inhalte auswählen

Brauch ich das wirklich? Oder kann das weg?
Um nicht unter einem Overload an Informationen zu versinken, sollten wir auch die Auswirkungen des ständigen Konsums von Onlineinhalten reflektieren. Das Internet bietet eine endlose Fülle an Informationen, Unterhaltung und Ablenkungen. Es ist wichtig, unsere Aufmerksamkeit bewusst auf Inhalte zu lenken, die uns inspirieren, informieren und bereichern, anstatt uns in endlosen Scroll-Sessions zu verlieren, die letztendlich zu einem Gefühl der Leere führen.

 

  • Worst case-Szenario ausmalen

Mir hilft es in letzter Zeit oft, wenn ich mich frage: „Was passiert eigentlich genau, wenn ich das und das verpasse?“ Oder „Was passiert im schlimmsten Fall?“ Manchmal werde ich denken „Ja, Pech gehabt, hätte ich gern gesehn/mitgemacht.“ Meistens aber beruhigt mich die Vorstellung, dass wirklich wichtige Informationen und Ereignisse schon irgendwie zu mir durchdringen werden und der Rest dann vielleicht doch nicht ganz so wichtig (im Sinne von lebenserhaltend 😉) war.

Der schlimmste Fall

 

Weniger ist mehr: unsere neue überschaubare Verfügbarkeit

 

Die ständige Verführung (ja, für mich ist es wirklich eine Art Verführung) im Internet stellt eine Herausforderung für meine persönliche Ausgeglichenheit dar und ich bin sicher, dass es vielen so geht. Die Erwartungen und die Fülle von Informationen und Ablenkungen führen mich zu Stress und einem Gefühl der Überlastung.

Indem wir jedoch bewusst Maßnahmen ergreifen, Auszeiten nehmen, Grenzen setzen, klar kommunizieren und unsere Aufmerksamkeit bewusst lenken, können wir einen gesunden Umgang mit unserer ständigen Verfügbarkeit finden. Dies hilft uns, unsere Balance und letztlich unseren Seelenfrieden zu bewahren.

Es liegt an uns, die Kontrolle über unsere Onlineaktivitäten zu behalten und ein Onlineleben zu pflegen, das sowohl die Vorteile des Internets nutzt als auch unsere persönlichen Bedürfnisse und Beziehungen in den Vordergrund stellt.

Wenn wir uns auf uns selbst konzentrieren und bewusste Entscheidungen treffen, können wir ein Gleichgewicht zwischen den Erwartungen des Internets bzw. Social Media und unserer persönlichen Ausgeglichenheit finden.

 

Übrigens:
Dieser Artikel ist aus meiner privaten Sicht geschrieben, in die sich jedoch auch viel Berufliches mischt. Eine Trennung ist meiner Meinung heutzutage kaum noch möglich. Schon gar nicht, wenn man einen Blog schreibt, der Persönliches und Privates vereinen soll und verschiedene Plattformen für Veröffentlichungen nutzt.
Ich sehe das Problem der eingeforderten Verfügbarkeit jedoch ganz besonders ausgeprägt bei Coaches, Beratern und Trainerinnen mit einem Onlineangebot. Auch diese können nicht 24/7 präsent sein und kommentieren, antworten, posten …
Deswegen:

 

Das wünsche ich mir für dich und mich:

Schicke mir Erinnerungen nur, wenn es WIRKLICH wichtig ist.
Vertraue darauf, dass ich mich zurückmelde, wenn es zeitlich für mich passt.
Lass uns beiden Zeit.